Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Oec. Magazin 2

mögliche Unterschiede zu negieren, sondern als Gesellschaft von 100 Pro- zent des Talentpools zu profitieren, unabhängig von den demographischen Charakteristika des Talents. MD: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Teams mit grosser Diversität beson- ders leistungsfähig, innovativ und nach- haltig arbeiten. Alter, kultureller und ethnischer Hintergrund, unterschiedliche berufliche und private Erfahrung, ver- schiedene Muttersprachen sind wichtig. Teilen Sie diese Ansicht? Wie fördern wir ein solches Verständnis für Diversität? IB: Die Forschung belegt tatsächlich, dass diverse Teams im Allgemeinen bes- ser abschneiden als homogene Teams. Die Diversitätsprämie ist vor allem dann gross, wenn Teams mit Komplexi- tät und Unsicherheit konfrontiert sind. Eine empirische Analyse zeigt etwa, dass sich die Diversität in Verwaltungs- räten seit 2008 für Firmen besonders auszahlt. Aber wie Sie erwähnen, Diver- sität zu leben ist Arbeit. Viele von uns fühlen sich immer noch wohler mit Leuten, die so aussehen, wie sie selbst, die gleiche Sprache sprechen und über dieselben Witze lachen. Die Diversitätsdiskussion sollte daher im- mer gemeinsam mit einer Diskussion zu «Inclusion» geführt werden. Teams soll- ten zum Beispiel wissen, dass Kohärenz und Harmonie im Team häufig kaum mit der Leistung des Teams korrelieren. MD: Sie haben vorgeschlagen, mit gemeinsamen Evaluationen einen Stups (nudge) zu geben, um geschlechtsspe- zifische Vorurteile (Gender Bias) zu überwinden. Mit anderen Worten wollen Sie Vorstellungen, die zu Diskriminie- rung führen, gewissermassen technisch überlisten. Ist das der richtige Weg? Geht es nicht eher darum,einen Sinneswandel herbeizuführen? IB: Es ist einfacher, Systeme zu ändern als Menschen. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass Sinneswandel nur sehr langsam stattfindet. Mein Mantra ist es, Prozesse zu entwickeln, die es einfacher für Menschen machen, das Richtige zu tun. Wer schon mal eine Diät gemacht hat, weiss, wie hart es ist, an einer Party all den Leckereien zu widerstehen, um danach zu Hause Selleriestangen zu essen. Viel einfacher ist es, die Umge- bung zu verändern. Im Extremfall heisst dies, nicht an die Party zu gehen oder jedenfalls nicht ans Buffet. MD:Wie können Fähigkeiten und Leis- tungen besser gemessen werden? IB: Ich empfehle jeder Firma, welche in ihren Evaluationen sowohl Leistung wie auch Potenzial misst und Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter zudem nach einer Selbstevaluation fragt, vor allem die Potenzialbewertungen und Selbstbeur- teilungen nach Geschlechtsunterschie- den zu untersuchen. Wir finden typischerweise, dass gleiche Leistung bei Frauen zu einer tieferen Potenzial- und Selbstbeurteilung führt. Stereotypen beeinflussen sowohl, wie wir von anderen eingeschätzt werden, wie auch, wie wir uns selbst beurtei- len. Die «technische List» besteht also darin, Evaluierungsprozesse genauso zu optimieren, wie wir das mit anderen Prozessen in unseren Firmen tun und nicht nur einfach unserer Intuition zu vertrauen. Evidenz ist besser als Intui- tion. MD: Sie haben kürzlich darauf hingewie- sen, dass Geigerinnen, die hinter einem Vorhang vorspielten, bessere Chancen hatten, eine Stelle in einem Orchester zu erhalten.Weil ihr Geschlecht nicht sichtbar ist, werden sie ausgewählt. Das Experiment ist wie inszenierte Gender blindness. Sollen wir uns so verhalten, wie wenn wir die Individualität nicht sehen, und so tun, als seien alle gleich? Blenden wir so nicht auch die Erfahrungen und Besonderheiten der Frauen aus, durch die sie sich von jenen der Männer unter- scheiden. IB: Danke für die Frage, Herr Bot- schafter. Wenn wir Bewerberinnen und Bewerber für einen bestimmten Job evaluieren, sollten wir diejenigen Eigenschaften berücksichtigen, die für die Ausführung der Arbeit relevant sind. Die Qualität von Musik hängt nicht vom Geschlecht der Person ab, die diese produziert. Dies ist der Fall bei den allermeisten Arbeiten, selbst sol- chen, die wir traditionellerweise einem Geschlecht zugeschrieben haben. MD: Sie denken hier an ein Beispiel? IB: Genau, ich hatte in den letzten Jahren einen Assistenten, der mein Sekretariat ausgezeichnet geführt hat, und unsere Kinder wurden im Vorkin- dergarten von einem liebenswürdigen Lehrer betreut. Es geht nicht darum, Iris Bohnet (IB) ist Professorin für Public Policy an der Harvard-Univer- sität. Von 2011 bis 2014 war die Volkswirtin Dekanin der Fakultät der Kennedy School of Government. Sie leitet zudem das Forschungszentrum Women and Public Policy und ist Verwaltungsrätin der Credit Suisse. Nebst den Forschungs- gebieten Verhaltensökonomie und Gender interessiert sich die Luzernerin und Mutter von zwei Söhnen für Verhand- lungstheorie, Spieltheorie und Vertrauen. Martin Dahinden (MD) ist promovierter Ökonom und arbeitete als Assistent an der Universität Zürich, für eine Bank und ein Verlagshaus bevor er in den diplomatischen Dienst eintrat. Vor seinem Umzug als Botschafter nach Washington war Dahinden Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammen- arbeit (DEZA). Martin Dahinden ist Experte für internationale Beziehungen und Sicherheits- politik, er interessiert sich für Geschichte, klassische Musik und Kultur. Botschafter Dahinden ist verheiratet und hat zwei Kinder. Oec. Dezember 2014 9 Oec. Dezember 20149

Seitenübersicht