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Oec. Magazin 2

Als Prorektor Medizin und Natur- wissenschaften ist Prof. Daniel Wyler auch zuständig für Forschung und Nachwuchsförderung an der UZH. Selbst am Institut für Physik tätig, erforscht er die theoretische Elementarteilchenphysik. Big Data - Segen und Herausforderung Der Computer und die damit einhergehenden fast unbeschränkten Kommunikations- und Speichermög- lichkeiten grösster Datenmengen haben eine neue Dimension der menschlichen Aktivitäten geöffnet, welche zugleich hilfreich ist und bedrohlich erscheint. Aus der beschaulichen Welt von Rechenschiebern und umständlichen Bakelittelefonen ist eine total von elektronischen Geräten durchdrungene Arbeits- und Privatwelt geworden. Was bedeutet dies für eine Universität? Neben den beiden klassischen Bereichen der Forschung, der Theorie – oft noch mit Papier und Blei- stift betrieben − und der immer stärker technisierten experimentellen Arbeit, ist eine dritte Richtung entstanden, die computer-gestützten Wissenschaften. Unzweifelhaft haben sie grossen Erkenntnisgewinn und spektakulären Fortschritt in der wissenschaftlichen Methodik hervorgebracht. Bisher unbewiesene mathematische Gesetze konnten verifiziert werden, die zeitliche Entwicklung komplexer Systeme wie Planetensysteme oder das Wetter können vorausberechnet werden. Oder man versucht, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns mittels Computersimulationen zu ergründen und aus grossen Datenmengen die Entwicklung von Sprachen zu rekonstruieren. Besonders augenfällig ist die ‚personalized medicine‘, welche für die Zukunft personalisierte Heilungsmethoden verspricht. Die elektronische Revolution führt zu neuen Lehrformen, wie die «MOOCs» (massive open online cour- ses). Solche frei zugängliche, über das Internet verbreitete Vorlesungen werden das Selbstverständnis und die Ziele der Universitäten ändern. Könnte man sich vorstellen, dass dereinst nur noch wenige Universi- täten mit mehreren Millionen Internet-Studierenden als internationale Drehscheiben der Wissensvermitt- lung existieren? Die mangelnde Vertraulichkeit riesiger persönlicher Datenmengen wird zunehmend zu einer Bedro- hung der Privatsphäre. Die weltweite Vernetzung des Individuums, auch unserer Studierenden, über com- puterbasierte Datenbanken (z.B. Kundendaten und soziale Netzwerke) birgt die Gefahr des Missbrauchs. Zwar sind wir vielleicht noch froh, wenn die Kreditkartenfirma eine Bezahlung wegen eines auffälligen Kaufverhaltens nicht auslöst. Es besteht aber die Gefahr, dass einmal Arbeitgeber oder politische Instanzen unsere elektronisch nachweisbaren Gewohnheiten und Vorlieben zu unserem Nachteil verwenden. Big Data ist nicht gross genug. Sicher sind der computerbasierten Forschung fulminante Erfolge gelungen. Aber sind diese auch tiefer gehende Durchbrüche? Ich wage dies zu bezweifeln. Die grossen Erkenntnissprünge sind kreativen, unkonventionell denkenden Menschen zu verdanken, die aus einer klug und intuitiv ausgewählten überschaubaren Menge von Daten und Tatsachen mit einer Mi- schung von Hartnäckigkeit, Einfühlungsvermögen, Kunstfertigkeit und Phantasie neue Wahrheiten hervorgebracht haben. Daran ändert die Verfügbarkeit von «Big Data» allein nichts − Big Data ist nicht gross genug, um den Sprung auf eine neue Erkenntnisebene zu schaffen. Die computerbasierte Lehre ist zwar praktisch und vermittelt eine grosse Menge an Stoff. Jedoch bezweifle ich, dass sie das «richtige Gefühl» für die Materie entwickelt und schult, welches für einen virtuosen Umgang mit ihr unabdingbar ist. Denn nur ein solcher ermöglicht schlussendlich bedeu- tende und bleibende Erkenntnissprünge. Die Auswirkungen einer universellen Verfügbarkeit persönlicher Daten, deren Speicherung nicht transpa- rent gemacht wird, sind nicht abzusehen. Die Angst vor dem gläsernen Menschen ist jedoch schon heute real und kann sehr negative Entwicklungen auslösen. Eine davon ist eine weit verbreitete Technik- und Wissenschaftsfeindlichkeit, deren schädliche Auswirkung nicht überbetont werden kann. Fazit. Die positiven Seiten der elektronischen Revolution sind nicht zu übersehen. Dank ihr haben z.B. Menschen auch in Gebieten mit einer dürftigen Infrastruktur Zugang zu Information, Wissen und Bildung. Hilfe bei Katastrophen ist schneller und kann besser koordiniert werden. Jedoch sehe ich von dieser Revolution eine Gefahr für das ausgehen, was den Kern des Menschen ausmacht: sein moralisches, selbstbestimmtes Wesen, seine Phantasie und sein Einfühlungsvermögen. Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Universität, diesen Kern zu schützen und zu pflegen. So ist beispielsweise die Erforschung gesellschaftlicher Auswirkungen von ‚Big Data’ ebenso zu fördern wie erkenntnisorientierte Lehre. 12 Oec. Dezember 2014 standpunkt

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