Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Oec. Magazin 2

Forschung am Institut für Volkswirtschaftslehre ©SergeyYarochkin 6 Oec. Dezember 2014 Vergangenheit als Experiment Lassen sich Einstellungen und Überzeugungen ändern? Welche Rolle spielen dabei Erfahrungen? Um diese Fragen zu beleuchten, geht Professor Hans-Joachim Voth in seiner Forschung Jahrzehnte bis Jahrhunderte zurück und stösst auf experimentähnliche Situationen. Aileen Zumstein Unterschiedliche Einstellungen von Menschen und Gesellschaften haben ihre Ursprünge, allerdings lassen sich das «Wann» und «Wo» oft nicht mehr eindeutig eruieren. Jede Person macht Erfahrungen, die ihr späteres Verhalten beeinflussen. Einstellungen wirken sich aber auch auf Prozesse von Institutionen aus und haben so viele Bedeutungselemente für ökono- mische Abläufe. Hier setzt die Forschung von Hans-Joachim Voth an, Professor für Economics of Development and Emerging Markets am Insti- tut für Volkswirtschaftslehre. Mittels historischer Daten und Beispiele geht er der Sache auf den Grund. Dabei sind laterales Denken und innova- tives Arbeiten gefragt: «Das Faszinierende an der Wirtschaftsgeschichte ist, eine Antwort zu finden trotz hochgradig unvollständiger und häufig problematischer Daten», so Voth. Risikobereitschaft im 18. Jahrhundert Historische Gegebenheiten im Zeitverlauf bie- ten oft experimentähnliche Situationen für den Forschenden – Kohorten können unter verschie- denen Bedingungen verglichen werden, ähnlich einem Labor-Experiment mit Versuchs- und Kontrollgruppen. Voth illustriert dies anhand einer Studie zur Risikobereitschaft von hollän- dischen Geldverleihern im 18. Jahrhundert: Er untersuchte Daten über besicherte Kre- ditvergaben in mehreren Amsterdamer No- tar-Archiven. Dabei handelte es sich um notarielle Darlehensverträge mit Verpfändung, die zwischen 1770 und 1775 abgeschlossen wurden. Aus den gleichen Archiven wurden Informationen über Margen und Konten ge- sammelt, über welche die Auflösung des Pfan- des damals lief. Die Daten-Analyse brachte interessante Tatsachen hervor: Etwa die Hälf- te der damals tätigen Geldverleiher lieh ihr Geld an eine Gruppe von Investoren, die kurz darauf zahlungsunfähig wurden. Sie hat- ten schlussendlich dennoch Glück und verlo- ren keinen Pfennig, doch es hätte auch anders ausgehen können. Daneben gab es die ande- re Hälfte der Geldverleiher, die nicht an die- se Spekulanten verliehen hatten und so auch die bedrohliche Erfahrung nicht machten, um ein Haar schwere Verluste zu erleiden. Ver- hielten sich die beiden Gruppen von Geld- verleihern nach dem Ereignis grundsätzlich unterschiedlich? Die Auswertung zeigte: vor der Bankrott-Episode nicht. Doch danach war die Gruppe von Geldverleihern, die fast ihr Geld verloren hätte, tatsächlich viel vorsichti- ger als die andere, verlangte wesentlich höhere Sicherheiten und wollte bei Geldverleih höhere Renditen sehen. «An diesem Beispiel sieht man schön, welchen Effekt Erfahrung hat und war- um sich Leute plötzlich anders verhalten», er- gänzt Voth.

Seitenübersicht