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Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Fachkräftemangel

Im Rahmen des diesjährigen Impact-Events zum Thema «Krisenkompetenz» haben Prof. Josef Zweimüller und Alumnus Simon Wey Einblicke in Forschung und Best-Practice-Beispiele zum Thema Fachkräftemangel gegeben. Lesen Sie hier die wichtigsten Key Learnings der Experten.

Wie akut ist der Fachkräftemangel tatsächlich?

Simon Wey: Kaum je zuvor manifestierte sich der Engpass an Arbeitskräften in der Schweizer Wirtschaft so sehr wie in der jüngeren Vergangenheit. Befragungen bei Betrieben in fast allen Branchen zeigen, dass dieses Thema mit zu den grössten Bremsklötzen des wirtschaftlichen Vorankommens zählt. Zu Beginn waren hauptsächlich MINT-Berufe betroffen. Seit der Aufhebung der einschneidendsten Corona-Schutzmassnahmen und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung manifestiert sich der Engpass jedoch praktisch in allen Branchen und einer Vielzahl von Berufen. Besonders betroffen sind neben dem Gesundheitswesen und der IT-Branche auch das Baugewerbe und die MEM-Industrie. Neu ist auch das Ausmass des Personalengpasses im Gastgewerbe und die viel stärkere Betroffenheit der Branchen insgesamt.
Wesentliche Treiber des Arbeitskräftemangels sind die demografische Entwicklung, das hohe Stellenwachstum und die vergleichsweise tiefe Zunahme des tatsächlichen jährlich en Arbeits-volumens in der Schweiz. Es besteht weitgehender Konsens darin, dass das Arbeitsangebot zukünftig nicht mit der Arbeitsnachfrage Schritt halten wird. So wird in den nächsten zehn Jahren von etwa einer halben Million fehlender Arbeitskräfte ausgegangen.

Wie können Unternehmen und die Politik dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Simon Wey: Grundsätzlich kann an drei Stellschrauben gedreht werden, um dem Engpass an Arbeitskräften entgegenzuwirken: Neben der besseren Ausschöpfung des inländisch en Arbeitskräftepotenzials bleibt die Zuwanderung aus EU-/Efta- und Drittstaaten sowie die vollständige oder teilweise Substitution von Arbeitsstellen durch Automatisierung und Digitalisierung. Massnahmen müssen dabei mit Blick auf die Wirksamkeit, die zeitliche Dimension und die gesellschaftliche Akzeptanz beurteilt werden. Für den Schweizerischen Arbeitgeberverband hat die bessere Erschliessung des inländischen Arbeitskräftepotenzials Priorität, wobei dies alleine nicht ausreicht. Zusätzlich bleibt eine arbeitsmarktgesteuerte Zuwanderung aus EU-/Efta- und Drittstaaten unerlässlich, um das notwendige Wirtschaftswachstum zu generieren.

Aber auch Unternehmen selbst müssen umdenken und aktiv werden: Sie können beispielsweise durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen die eigene Attraktivität am Markt erhöhen. So etwa durch flexibles Arbeiten, mehr und längere unbezahlte Urlaube, familienfreundliche Arbeitsbedingungen oder eine noch grosszügigere Beteiligung an Aus- und Weiterbildungskosten. Unternehmen sind insgesamt auch eher bereit, ihre Anforderungen an potenzielle Arbeitnehmende zu senken und ihnen Zeit zum Erwerb der fehlenden Kompetenzen im Betrieb zu geben. Damit stellt sich das Unternehmen aber meist nur relativ zu seinen Konkurrenten besser. Zur gesamtwirtschaftlichen Linderung des Arbeitskräfteengpasses trägt dies nur dann bei, wenn diese Anstrengungen auch zu einer höheren Arbeitsmarktpartizipation der bestehenden oder in den Arbeitsmarkt eintretenden Arbeitskräfte führen. Dementsprechend liegen die grossen Stellhebel zur mittelfristigen Gewinnung von Arbeitskräften in der Politik. Dies, indem sie die staatlichen Rahmenbedingungen verbessert. Dazu zählen etwa höhere Erwerbsanreize durch die Besteuerung (bspw. Abschaffung der Heiratsstrafe) oder genügend bezahlbare Drittbetreuungsangebote für Kinder. Genau für solche Verbesserungen setzt sich der Schweizerische Arbeitgeberverband ein.

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