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Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Unsere Alumni: Samuel Kamber

Samuel Kamber ist Zivilermittler bei der Kriminalpolizei. Der 41-Jährige sichert ganz besondere Tatorte: Für die Kantonspolizei Zürich klärt Kamber Wirtschaftsdelikte auf. Anstatt einer Waffe braucht der Kriminalbeamte mit Betriebswirtschaftsabschluss bei seiner täglichen Arbeit vor allem Köpfchen.

Die Wirtschaftskriminalität in der Schweiz hat im letzten Jahr stark zugenommen. Gemessen an der Anzahl der Fälle stiegen Veruntreuungs-, Betrugs- oder Geldwäscherei-Delikte hierzulande um fast 33 Prozent. Laut dem «KPMG Forensic Fraud Barometer» lag das Schadensvolumen bei über 537 Millionen Schweizer Franken.

27 Wirtschaftskriminalfälle in Zürich

Besonders betroffen waren Finanzinstitute, Investoren und kommerzielle Unternehmungen. Wie in den Vorjahren kamen auch 2014 am meisten Wirtschaftskriminalfälle im Raum Zürich vor Gericht. Gezählt wurden im letzten Jahr insgesamt 27 Zürcher Cases.

An der Lösung dieser Fälle war unter anderem auch Samuel Kamber beteiligt. Täglich versuchen Kamber und seine Kollegen von der Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität der Kapo Zürich, den Weisse-Kragen-Kriminellen das Handwerk zu legen. Solche Betrüger und Veruntreuer werden als «White Collar Criminals» bezeichnet, weil viele von ihnen aus dem Management stammen und ihre Verbrechen gepflegt mit Krawatte und weissem Hemdkragen begehen.

Der Begriff stammt vom US-amerikanischen Soziologen Edwin H. Sutherland, der als einer der bedeutendsten Kriminologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt. Bereits 1939 wies Sutherland darauf hin, dass Straftaten nicht nur von Unterschicht-, sondern auch von Mittel- und Oberschichtangehörigen begangen werden.

Zitat Samuel Kamber

«Man weiss nie, was einen bei einer Hausdurchsuchung erwartet»

Weil Wirtschaftskriminaldelikte ein hohes Mass an Intelligenz und Täuschungsenergie voraussetzen, holt sich Samuel Kamber bei seiner täglichen Arbeit in der Regel keine schmutzigen Hände. Auch von Angriffen oder Kämpfen blieb der 41-Jährige bisher verschont. Bei einer Hausdurchsuchung oder einer Festnahme sind stets uniformierte und bewaffnete Kollegen des Polizeicorps dabei, weshalb der Zivilermittler selbst keine Waffe trägt.

Und dies, obwohl Kamber im OEC-Interview mit seinem perfekt sitzenden schwarzen Anzug ein wenig wie ein FBI Agent wirkt. Doch trägt der Zürcher White-Collar-Jäger nicht jeden Tag einen Black Suit. «Wenn wir keinen Kundenkontakt haben, kleiden wir uns casual». Kommt es bei einem solchen «Kunden» aber einmal zu einer Hausdurchsuchung, dann käme es jeweils darauf an, wohin das Team ausrücken müsse. «Wir passen uns der Umgebung an und sind für alles gewappnet. Man weiss nie, was einen vor Ort erwartet», so Kamber.

Samuel Kamber

Im Kanton Zürich hat es die Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität der Kapo vor allem mit Betrug, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Konkursdelikten und Urkundenfälschungen zu tun. Auch kommt es im grössten Wirtschaftskanton der Schweiz  -so wie im ganzen Land - zu immer mehr IT-Fällen. Im Rahmen des «KPMG Forensic Fraud Barometers» wurden im vergangenen Jahr hierzulande sieben Cyber-Kriminalfälle erfasst. Der Gesamtschaden belief sich dabei auf mehr als 200 Millionen Franken.

Grenzüberschreitende Fälle nehmen viel Zeit in Anspruch

Auffallend ist laut Kamber, dass Wirtschaftskriminelle immer internationaler und globaler agieren. Dank des Internets kann man heute Menschen angehen, die immer weiter weg wohnen. «Unsere Ermittlungen sind deshalb nicht nur schweizbezogen». Und sobald es um Personen geht, die im Ausland sind, gelten andere Rechtsordnungen, weshalb die White-Collar-Crime-Ermittler immer öfter auch ein Gesuch um Rechtshilfe einreichen müssen. «In solchen Fällen dauert es länger, bis ein Fall auffliegt und auch die Verfahren nehmen viel mehr Zeit in Anspruch», wie Kamber erklärt. Dies, weil auch der betreffende Staat bei der Lösung des Falls mithelfen muss.

Zitat Samuel Kamber

Wie die Ermittler zu ihren Fällen kommen

Wird in der Schweiz jemand Opfer eines Wirtschaftsdelikts, reicht er oder sie für gewöhnlich Strafanzeige ein. Meistens läuft das über den Anwalt des Geschädigten. Manchmal kann es aber auch sein, dass gewisse Fälle von Amtes wegen untersucht werden müssen.

So oder so erhalten die spezialisierten Rechercheure der Zürcher Kantonspolizei einen offiziellen Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft. Darin ist jeweils auch die schriftliche Strafanzeige enthalten. In dieser beschreibt das Opfer, weshalb es sich geschädigt fühlt. Je besser eine Anzeige mit Verträgen, Bankauszügen bzw. zusätzlichen Unterlagen dokumentiert ist, desto grösser ist die Chance, dass ein Fall aufgeklärt werden kann. 

Nicht wie bei CSI Miami oder dem Tatort

Liegt ein Fall bei Kamber erst einmal auf dem Tisch, schliesst sich der Ermittler mit der Staatsanwaltschaft kurz und bespricht das weitere Vorgehen. Danach fängt die eigentliche Ermittlungsarbeit mit sorgfältigen Abklärungen, Befragungen und Hausdurchsuchungen an. In grossen Fällen arbeitet Samuel Kamber im Team. Die Abteilung Wirtschaftskriminalität der Kapo Zürich setzt sich aus drei Ermittlungsdiensten mit insgesamt etwa 40 Ermittlern zusammen.

Bei kleineren Fällen, das heisst, wenn es «nur» einen Beschuldigten und einen Geschädigten gibt, nimmt ein White-Collar-Crime-Ermittler die Spur alleine auf. «In der Regel bearbeiten wir gleichzeitig drei bis vier Fälle». Dass man sich wie bei CSI Miami oder dem Tatort nur um einen Fall auf’s Mal kümmert, ist unrealistisch und gibt es nur im Fernsehen.

Klarheit in einen Fall bringen

Auch als Ermittler bekommt man mit der Zeit ein Bauchgefühl, auf das man sich allerdings nicht immer verlassen kann: «Wir nehmen stets eine neutrale Haltung ein», sagt Samuel Kamber bestimmt und spricht damit die Unschuldsvermutung an. Es kann laut dem Zivilbeamten nämlich auch vorkommen, dass ein «Opfer» etwas behauptet, ohne dafür entsprechende Unterlagen als Beweismittel zu liefern.

«In sämtlichen Fällen gilt es, Fakten zu finden, welche den geschilderten Sachverhalt bestätigen oder widerlegen». Es gehöre zur obersten Pflicht, nicht nur die Fassade anzuschauen, sondern zu erkennen, was wirklich dahinterstecke, so der Ermittler.

In jedem Fall wird immer auch die Person befragt, welche die Strafanzeige eingereicht hat. «Mein Ziel ist, Licht und Klarheit in den Fall zu bringen und dann allenfalls jemanden zu überführen, falls die Fakten dafür sprechen». Kamber und seine Kollegen erleben es bei ihrer Arbeit immer wieder, dass gewisse Personen, die bei einer Firma als Geschäftsführer oder beispielsweise als Verwaltungsrat eingetragen sind, keine Ahnung vom Business haben und quasi nur als Strohmänner eingesetzt wurden.

Im Rahmen der Ermittlungen geht es dann darum, wer in der Firma wirklich die Verantwortung trägt. «Zuerst gehen wir natürlich immer die Personen an, die im Handelsregister eingetragen sind». Und auch wenn man als Geschäftsführer oder VR keine Ahnung von potenziell illegalen Machenschaften im Unternehmen hatte, werden Ermittlungen zu diesen «offiziellen» Unternehmensverantwortlichen geführt, da diese kraft ihrer Eintragung im Handelsregister gesetzliche Pflichten haben. In diesem Zusammenhang wird untersucht, ob von den eingetragenen Personen Pflichtverletzungen begangen wurden. Dies kann für die Betroffenen sehr unangenehm sein.

Zitat Samuel Kamber

Präzedenzfälle schaffen

Ein Erfolg für den White-Collar-Ermittler ist es, wenn die Untersuchungen zu einem Ergebnis führen. «Egal, ob daraus eine Verurteilung resultiert oder nicht». Als eine erfolgreiche Arbeit bezeichnet Kamber es auch, wenn er und seine Team-Kollegen in einem Bereich einen Fall zum Abschluss bringen, in dem es bis anhin noch keine Rechtsprechung gab. «Das haben wir auch schon geschafft», so Kamber mit einem stolzen Lächeln. «An solchen Präzedenzfällen kann man sich danach dann orientieren».

«Nicht die Dümmsten»

Es ist aber nicht jeder Fall nur ein Kinderspiel für die Kriminalisten der Kantonspolizei Zürich. Denn die Betrüger, Fälscher und Veruntreuer, mit denen es die Ermittler zu tun bekommen, sind oft Menschen mit einer sogenannten machiavellischen Intelligenz. Das heisst, Individuen, die es schaffen, Menschen für sich zu gewinnen, zu manipulieren und zu täuschen. Dies, um für sich selbst gewisse Vorteile zu erlangen.

Laut Samuel Kamber sind Personen, welche die Wirtschaft zu einem Tatort machen, häufig sehr gute Verkäufer und Vertuscher. «Es sind meistens nicht die Dümmsten, mit denen wir es zu tun bekommen». Denn oft würden White Collar Criminals sehr viel von der Materie verstehen.

«Das schnelle Geld gibt es aber einfach nicht», sagt der Wirtschaftsfachmann bestimmt. Sobald einem grosse Renditen versprochen, strahlend schöne Prospekte präsentiert oder garantierte Gewinne in Aussicht gestellt werden, gilt es hellhörig zu werden. «Man sollte sich fragen, weshalb jemand mit grossartigen und einmaligen Gewinnchancen diese mit jedermann teilt». Oft würde man dann erkennen, dass es sich bei der schönen Fassade nur um Schall und Rauch handelt.

Weiterführende Informationen

Samuel Kamber

Spezialisiert auf Wirtschaftskriminalfälle

Auf seiner Visitenkarte steht «Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität Wirtschaftsdelikte 1». Der 41-Jährige Samuel Kamber ist bei der Zürcher Kantonspolizei (Kapo) als Zivilangestellter tätig, was bedeutet, dass Kamber keine Polizeischule besucht hat. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter des Kantons hat von 1995 bis 2002 an der Uni Zürich Betriebswirtschaft studiert und sich als lic. oec. publ. einen Abschluss geholt. Danach war Samuel Kamber in einer Anwaltskanzlei tätig, welche auf Wirtschaftskriminalfälle spezialisiert ist. In der Kanzlei war er für wirtschaftliche Analysen zuständig.

 

Bevor Kamber 2008 zur Ermittlungsabteilung «Wirtschaftsdelikte» bei der Kapo Zürich stiess, war er fast vier Jahre in der Forensic-Abteilung einer Big-Four-Gesellschaft tätig, während er parallel dazu in Luzern das Nachdiplomstudium «Executive Master of Economic Crime Investigation» absolvierte.

Oec. Magazin

Auszug aus dem Oec. Magazin, Ausgabe 4, Dezember 2015.

Autor: Mark Baer

Bilder: Rodolfo Sacchi