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oec_04_ePaper

«Es gibt viele Aspekte im Justizsystem, die Menschen immer wieder an Ihre krimi- nelle Identität erin- nern. Unsere Resultate deuten darauf hin, dass dies das Rückfäl- ligkeitsrisiko erhöhen könnte.» Michel Maréchal,Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre Michel Maréchal, Professor für experimentelle Wirtschaftsforschung am Institut für Volkswirt- schaft, und seine Kollegen liessen 182 Insassen eines Schweizer Hochsicherheitstraktes ein Mün- zen-Spiel spielen, bei welchem „Kopf“ Gewinne einbringt und „Zahl“ zu Verlusten führt. Dabei waren sie unbeobachtet. Theoretisch hätte etwa die Hälfte der Insassen gewinnen, die andere verlieren müssen, aber es zeigte sich, dass unehrliches Ver- halten überwiegt: etwa 60% der Häftlinge gaben vor, sie hätten gewonnen. Verstärkt wurde dieses Verhalten, wenn sie im Laufe des Experiments an ihre kriminelle Tat erinnert wurden. Alle Häftlinge mussten zusätzlich einen Fragebogen ausfüllen, in dem eine Hälfte der Insassen auch Fragen zu ihrer kriminellen Tat vorfand. Die andere Hälfte beant- wortete nur allgemeine Fragen. „Diese Methode ermöglicht es uns, die Auswirkung des Bewusst- seins der eigenen (kriminellen) Identität auf das Verhalten zu messen“, erklärt Maréchal. Ein halbes Jahr später erhielten die Insassen nochmals einen Frage- bogen, der wiederum an die eigene krimi- nelle Tat erinnerte. Anschliessend wurde ein Test in Form eines Wortspiels durchge- führt, um aufzuzeigen, wie bewusst kriminelle Konzepte sind. „Wörter wie „KNA“ könnten zu „Knabe“ oder „Knast“ führen. So können wir implizit messen, wie stark kriminelle Gedanken ausgeprägt sind“, so der Volkswirt. Resultat: Jene Insassen, die in der Münzwurfauf- gabe mehr Geld verdient hatten - also unehrlicher waren -, fielen gleichzeitig auch signifikant häufi- ger durch Disziplinarverfahren auf. Und jene, die im Fragebogen immer wieder an ihre kriminelle Tat erinnert wurden, liessen sich eher wieder zu Unehrlichkeit hinreissen, als die anderen. Das hat wichtige Implikationen für unser Rechtssystem. „Es gibt viele Aspekte im Justizsystem, die Men- schen immer wieder an Ihre kriminelle Identität erinnern. Unsere Resultate deuten darauf hin, dass dies das Rückfälligkeitsrisiko erhöhen könnte,“ fasst Maréchal zusammen. Eindrücke eines Tatort-Kommissars Vier Institute – vier Perspektiven zum Thema „Verbrechen“. Stefan Gubser steht am Ende des Tages auf den Treppen vor dem Hauptgebäude und zieht ein Résumée. „Es war interessant zu sehen, wie konkret der Praxisbezug der aktuellen Forschung ist. Die Forschung gibt wichtige Impulse für Diskussionen in der Gesellschaft, sei es in der Prävention, im Umgang mit On- line-Tools, mit straffäl- ligen Menschen oder in der Betreuung von Opfern. Wissenschaft kann spannender sein als gedacht!“ Oec. Dezember 2015 17 Oec. Dezember 201517

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