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Oec Magazin (A1-b)

mañana geben diesem Denken Ausdruck. Das Verlassen auf die Zeit und auf die eigenen Fähigkeiten ist für dieses Denken und Entschei- den zentral. Die Schwäche besteht darin, dass Risiken nicht ausgeschlossen werden können. Personen in Entscheidungssituationen bewegen sich in einem fliessenden Umfeld wie Fische im Wasser, die Risiken in der Strömung wahr- nehmen. Hier erklärt sich die Bedeutung von Personenbeziehungen in nähebetonten Kulturen. Wenn in Wirklichkeit alles fliesst, sind Beziehun- gen die einzigen Fixpunkte, auf die Verlass ist. Ein gutes Netzwerk allein hilft, Risiken frühzei- tig zu verspüren und auf sie zu reagieren. Entscheiden aus Distanz oder die Reduktion von Information Distanz erlaubt rationales Begreifen einer Sache oder einer Situation. Entscheiden in einer west- lichen Kultur findet vor einem analytischen Hintergrund statt, wobei Planen oft ein elementa- rer Bestandteil ist. Die Stärke dieses Denkens und Entscheidens besteht in der klaren Einschätzung einer Risikolage, die sich für zukünftiges Handeln ergeben könnte. Das dem Planungsprozess zu Grunde liegende statische Denken erlaubt jedoch kein schnelles Reagieren, wenn sich die Planungs- richtung als falsch erweisen sollte. Die grösste Schwäche besteht zudem in der starken Reduk- tion der Information, die für eine Analyse not- wendig ist. Nur eine Konzentration auf Wichtiges erlaubt Analyse und Abstraktion. Wir gestehen uns bei diesem Prozess allerdings nie ein, dass er eine grobe Vereinfachung des Wirklichkeits- verständnisses nach sich zieht. Die Klarheit der Analyse verleitet dazu, sie als richtig anzusehen. Unter diesen Umständen zu entscheiden hat den Vorteil, eine gute Risikobeschränkung einbezie- hen zu können und damit eine klare Entwick- lungsrichtung einzuschlagen. Die Gefahr aller- dings, dass das Fehlen einer stärker emotionalen Einschätzung wichtige Punkte der Entscheidung übersieht, ist ausgesprochen hoch. Unvereinbarkeit von Gegensätzen Das Unvermögen des Westens, Nähe in Denken und Handeln einzubinden, ist im Übrigen auch die Grundlage des binären Denkens. Dieses wiederum hat seinerseits Einwirkungen auf die Wahrnehmung. Emotionen, die mit jeder Infor- mationsaufnahme aus der Nähe und mit allen Sinnen gegeben sind, werden in der westlichen Sicht der Realität weitgehend ausgeschlossen, da sie mit Unklarheiten im Denkprozess verbunden sind. Die Unvereinbarkeit von Gegensätzen ist eine der Grundvoraussetzungen des westlichen Denkens. Wenn etwas weiss ist, kann es nicht gleichzeitig schwarz sein. Mit dem Zulassen von Empathie und Emotion wird diese binäre Ord- nung sofort in Frage gestellt. Wenn meine Toch- ter ein Stipendium für ein US College erhält, bin ich darüber nicht nur froh, sondern ich bedaure auch, dass sie weggeht. Diese Vereinigung von Gegensätzen, wie sie Emotionen immer in sich tragen, wird von unserem westlichen Denken ausgeschlossen. Sie ist nicht «logisch». Doch un- sere binäres Vorgehen in der Wirklichkeitswahr- nehmung schafft nur eine scheinbare Klarheit. Sie wird über die Reduktion und Abstraktion von Information erreicht. Zum optimalen Unternehmensentscheid Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass es eigentlich die Vereinigung der beiden Wirklich- keitswahrnehmungen ist, die einen optimalen Entscheid mit sich bringen würde. Nur wenn Analyse und Empfindung bei einem Entscheid übereinstimmen, ist er tatsächlich optimal, da er Entwicklungsrichtung und aktuelle Lage zu verbinden vermag. Eine Vernachlässigung der einen Seite wird immer zu suboptimalen oder gar falschen Entscheiden führen, die wir normaler- weise aus unserem Muster des Verstehens nicht einmal wahrnehmen. Wahrnehmungen der Nähe und der Distanz sind deshalb in der Vorberei- tung zum Entscheid und im Entscheid selbst zu vereinen. Dass diese Vorgehensweise dabei einige grundlegende Unvereinbarkeiten überwinden muss, macht sie nicht einfach, aber nicht unmög- lich. Im Idealfall vermag die entscheidende Per- son selbst diese Brücke zu schlagen, die sich vor allem auch in der Problematik der Verbindung von Theorie und Praxis ergibt. Wenn die Person nicht gefunden werden kann, die diese Brücke zu schlagen vermag, ist die Vereinigung im Team über eine Kombination von strategisch und ope- rativ starken Personen zu realisieren. Sich dieser Problematik hingegen nicht zu stellen, heisst ganz einfach, der Realität nicht nahe genug zu kommen und damit zu riskieren, sich mit Entscheiden zu begnügen, die weit weniger optimal sind, als sie es sein könnten. Dr. Hans Jakob Roth war als Schweizer Diplomat sechs Jahre in Japan und vierzehn Jahre in China tätig, zuletzt als Generalkonsul in Hong Kong. ©FlorianWehrli,Jungfrauzeitung 18 Oec. Juli 2015

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