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Oec Magazin (A1-b)

Zufällig wurde ich einmal Zeuge einer Be- gegnung zwischen einer jungen chinesischen Beraterin von ausländischen Firmen und einem Schweizer Firmenvertreter. Er schilderte ihr, dass sein Unternehmen in etwa zwei Jahren in den chinesischen Markt eintreten möchte und im Mo- ment daran sei, einen Businessplan zu entwer- fen. Auf die Frage, ob sie an einem Beratungs- mandat interessiert sei, schnitt ihm die Dame praktisch das Wort ab und sagte ihm, sie sei erst interessiert, wenn seine Firma dann wisse, was sie eigentlich in China wolle – drei Monate vor Markteintritt. Ich habe Bauvorhaben in China gesehen, bei denen noch vor Beendigung der Bauarbeiten ein Teil wieder abgerissen wurde, weil inzwischen noch zusätzliche Wünsche des Bauherrn einge- troffen waren, die eine Veränderung der Bau- pläne verlangten. Doch über solche Schwierig- keiten oder selbst über ein Scheitern wird am Schluss nie gesprochen. Man beginnt einfach neu, unbelastet und ungleich einem schweize- rischen Vorgehen, das von einem solchen ersten Scheitern immer noch belastet wäre. Planen ist nicht nur positiv, weil Risiko vermindernd, es ist in vielen Fällen auch ein Ausdruck einer deut- lichen Risikoaversion. Welche grundsätzlichen Unterschiede zwi- schen den unterschiedlichen Kulturen treten hier zutage? Andere Kulturen, anderes Entscheiden – das Konzept von Nähe und Distanz Ein optimaler Entscheid baut auf Informationen aus Nähe und Distanz. Damit ist er automatisch mit unterschiedlichen Wahrnehmungshorizonten verbunden. Was relativ einfach tönt, ist in Wirklichkeit schwierig zu erreichen und hängt vom persönlichen Nähe-Distanz-Management ab. Dr. Hans Jakob Roth über kulturelle Unterschiede und was wir daraus lernen können. Realität als fliessender Prozess In stark kollektiv ausgerichteten Gesell- schaften wie beispielsweise in China lösen sich Personen nie aus ihrem sozialen Kontext, sie sind in erster Linie Mitglied einer Gruppe. Ihre Mitglieder wachsen in eine Gesellschaft hinein, in der es wichtig geblieben ist, Informationen aus der Nähe aufzunehmen und sie richtig einzuschätzen. Hier dominiert das persönliche Verhältnis, womit entscheiden stark Moment bezogen ist und immer im Hier und Heute stattfindet. Die Realität wird dabei als fliessender Prozess betrachtet, an dem der oder die Ent- scheidende immer selber teilnimmt. Grundlage des Entscheidens in diesem Umfeld der Nähe ist ein ausgezeichnetes Verspüren einer aktuellen Situation, das weit über das westlich rationale Verständnis hinausführt und sich stark auf das Bauchgefühl verlässt. Der Fisch im Wasser Mit dieser Grundhaltung wird es allerdings schwierig, eine Planung im westlichen Sinn an- zugehen. Die Zukunftseinschätzung wird stärker visionär gemacht ohne Bezug zur gegenwärtigen Situation. Damit verlassen sich aussereuropä- ische Kulturen viel mehr auf den Lauf des Ge- schehens und entscheiden erst dann, wenn der Moment des Entscheidens gekommen ist. Das arabische in schãa’a llãh oder das spanische 16 Oec. Juli 2015 FOKUS

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