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Oec Magazin (A1-b)

Andrea Schenker-Wicki ist seit 2001 Professorin am Institut für Betriebs- wirtschaftslehre und Direktorin des Executive MBA UZH. Von 2012 bis 2014 war sie zudem als Prorektorin Rechts- und Wirtschaftswissenschaf- ten Mitglied der Universitätsleitung. Per 1. August 2015 tritt Schenker-Wicki ihr Amt als Rektorin der Universität Basel an. Wie kommt man zu guten Entscheidungen? Wenn wir Entscheidungen oder Entscheidungsfindungsprozesse im Management ansprechen, steht die Rationalität immer im Vordergrund im Gegensatz zur Emotionalität, ganz im Sinne: rationale Entscheidungen sind gut und emotionale Entscheidungen sind schlecht. Auch in den philosophischen Diskursen, die sich um die Entscheidungsfindung drehen, geht es häufig um den Gegensatz von Rationalität und Emotionalität (Plato, Aristoteles, Descartes). Die Rationalität hat dabei die Emotio- nen zu dominieren, denn Emotionen hindern uns einerseits, die Realität so zu sehen, wie sie ist und andererseits auf eine höhere Erkenntnisebene zu gelangen. Aber stimmen diese Annahmen wirklich? Da man bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts dem Menschen nicht direkt ins Hirn schauen konnte, blieb man weitgehend auf Vermutungen angewiesen, wie Entscheidungen getroffen werden und was sich im Gehirn genau abspielt. Aufgrund der neuen bildgebenden Verfahren MRI und PET kann die Wissenschaft diese Black-Box heute im Detail analysieren und hat herausgefunden, dass die Menschen beileibe keine rationalen Geschöpfe sind. Im Gegenteil, jede Entscheidung ist mit Emotio- nen gekoppelt und gute Entscheidungen bedingen sowohl Rationalität als auch Emotionalität. Dazu gibt es eine interessante Geschichte: 1982 wurde erstmals eine Krankheit, nämlich die 'Krankheit des Nichtentscheidens', beschrieben. Ein junger Mann hatte einen gutartigen Tumor im orbitofrontalen Cortex, einem Hirnareal, das sich direkt hinter den Augen befindet und für die Emotionalität eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn dieses Gewebe durch einen Tumor oder eine Blu- tung zerstört wird, wird die Persönlichkeit eines Menschen drastisch verändert. Der besagte Patient musste operiert werden. Vor der Operation war er ein hingebungsvoller Vater und Ehemann, er hatte einen verantwortungsvollen Posten und sein IQ war hoch. Obwohl der IQ auch nach der Operation hoch blieb, war der Patient nicht mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Hätte sich das theo- retische Konstrukt der Dominanz der Rationalität über die Emotionalität als richtig erwiesen, hätte unser Patient die beste Zeit seines Lebens gehabt. Dies war aber nicht der Fall. Er war de facto nicht mehr fähig, ein normales Leben zu führen, seine Frau liess sich von ihm scheiden, und er verlor seine Arbeitsstelle. Kurz zusammengefasst, die Rationalität bringt uns im Alltagsleben alleine nicht viel weiter. Wie steht es aber nun mit der Emotionalität? Bei der Emotionalität spielt die Verlustaversion eine grosse Rolle (Kahnemann & Tversky). Ver- luste wollen um jeden Preis vermieden werden – weil dabei im Gehirn die sogenannte Insula in der Amygdala aktiviert wird und negative Gefühle verursacht. Dies führt dazu, dass wir uns via Emotionen dazu verleiten lassen, schlechte Entscheidungen zu treffen, z.B. werden schlechte Wetten angenommen. Diese Tatsache nennt man auch das Defizit des emotionalen Gehirns. Man kann sich diesen Umstand aber auch nutzbar machen: will man zum Beispiel sparen, sollte man keine Kredit- karte benutzen, sondern Bargeld verwenden. Der physische Verlust von Geld verursacht nämlich ein negatives Gefühl, wenn wir hingegen mit der Kreditkarte zahlen, passiert nichts, da uns das Geld nur virtuell abhanden kommt. Wie kommt aber nun zu guten Entscheidungen, die man im Nachhinein nicht bereut? Benutzen Sie Ihr rationales Gehirn, um alle Informationen zu sammeln, die für einen Entscheid notwendig sind. Aber entscheiden Sie nicht sofort, sondern überschlafen Sie Ihre Entscheidung eine Nacht, damit Ihr Unterbewusstsein diese Informationen verdauen kann. Was immer Ihre Intuition oder Ihr emotionales Gehirn Ihnen dann sagt, ist wahrscheinlich die beste Entscheidung. Dies wurde übrigens auch in Experimenten mit Wallstreet Tradern bestätigt. Entscheidungen, bei denen keine Emotionen oder zuviele Emotionen vorhanden waren, waren die schlechtesten. Gute Entscheidungen befinden sich immer in einem Gleichgewicht zwischen Rationalität und Emotionalität. 12 Oec. Juli 2015 STANDPUNKT

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