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Oec. Magazin

Vertrauen in die Wissenschaft Die moderne Wissenschaft produziert in stark ausdifferenzierter Arbeitsteilung mit komplexen Verfahren Wissen, das auf eine grosse Zahl von Menschen Einfluss hat. Es liegt auf der Hand, dass sich viele fragen, ob sie uns, die wir in diesem Sektor arbeiten, trauen können. Ich sehe drei vertrauensbildende Haupttugenden: Erstens, fachliche Kompetenz – ergänzt durch Offenheit und Neugierde, um nicht vom vertrauenswürdigen Spezialisten zum blinden Dogmatiker oder Fachidioten zu mutieren. Kompetent sein bedeutet nicht, auf alles eine Antwort haben, sondern sich Problemen stellen können. Zweitens, intellektuelle Redlichkeit. Wer als Beruf die Schaffung von Wissen betreibt, soll sich und anderen nichts vormachen. Damit verwandt ist die Einsicht in die Fehlbarkeit. Wissenschaftliche Aussagen unterscheiden sich von ideologischen Aussagen durch das Kriterium der Falsifizierbarkeit. Die Wissen- schaftstheorie macht darauf aufmerksam, dass das Kriterium seine Tücken hat – zumal in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Nichts aber spricht dagegen, dass wir uns jeweils festlegen, unter welchen Bedingungen wir uns geschlagen geben, also eine gemachte Aussage als nicht erwiesen oder widerlegt ansehen. Drittens, die Überzeugung, dass es Sinn macht, sich des «Verstandes zu bedienen» und «davon öffentlichen Gebrauch zu machen» (Kant). Wer soll der Wissenschaft trauen, wenn wir selber den Glauben an die Wissen- schaft verloren haben? Die grössten Feinde in diesem Zusammenhang sind Zynismus und Arroganz; ebenso die dunkle Rede oder der Gestus des Eingeweihten. Sie können Bewunderer anziehen, aber kein Vertrauen unter Mündigen schaffen. Vertrauen in die Wissenschaft beschränkt sich jedoch nicht auf den Einzelnen. Die grösseren Gefahren lauern auf der Ebene der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Wenn eine Disziplin selbstgefällig wird, werden sich die kritischen Geister anderen Gebieten zuwenden. Auch wenn sie sich als Hochleistungssport versteht oder als Lieferant von News, wird sie früher oder später das Ver- trauen der Gesellschaft verlieren. Die Menschen sind an sportlichen Leistungen und Sensationen interessiert; dafür aber gibt es andere Profis. Die Wissenschaft braucht hohe Leistungen und starken Wettbewerb; es geht allerdings nicht darum, wer der Beste ist und gewinnt, sondern was am Ende als Erkenntnis oder Technik herauskommt. Vertrauen nimmt mit der Häufigkeit von Superlativen ab. Die Wirtschaftswissenschaft ist eine Gesellschaftswissenschaft. Ihre Erkenntnisobjekte sind menschliches Verhalten und die Interaktion von Menschen in Organisationen und Systemen. Daher spielt der «narrative Test», die Übersetzung der fachlichen und modellbasierten Analyse in eine präzise dialogfähige Sprache, für das Vertrauen in unsere Disziplinen eine wichtige Rolle. Unsere Sicht bestimmt schlussendlich die betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Bedingungen mit. Insbesondere erwartet die Gesellschaft, dass wir robuste Erkenntnisse produzieren. Unsere Disziplinen müssten mehr an der Ordnung ihres Wissens arbeiten und die Hierarchie der Gewissheiten pflegen. Was wurde wie oft geprüft und hielt den Prüfungen stand? Was gilt in welchem Kontext? Für jede Unternehmung ist ordentliche Buchführung eine wichtige Vertrauensgrundlage. Das gilt auch für die Wissenschaft. Die einzelnen Disziplinen könnten damit ihr institutionelles Bemühen um Kompetenz und Redlichkeit zum Ausdruck bringen. Drei Bücher wären zu führen: das Buch der Fragen, das Buch des Wissens und das Buch der Fehler. Welche grossen Probleme hat unser Fach? Welche nachhaltig gültigen Erkenntnisse hat das Fach im Lauf seiner Geschichte produziert? Welche wichtigen Beiträge des Faches haben sich als falsch erwiesen, welche Ergebnisse als nicht zuver- lässig? Prof. Dr. Dr. Josef Falkinger Josef Falkinger ist Professor für Finanzwirtschaft und Makroökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre und Alt-Dekan der Wirtschaftswissen- schaftlichen Fakultät der UZH. MeinradSchade 12 Oec. Juni 2014 STANDPUNKT

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